Stolpersteinverlegung in Werder (Havel), 10. Oktober 2023
Zusammen mit dem Künstler Gunter Demnig und Schülerinnen und Schülern verschiedener Werderaner Schulen haben wir am Montag in Werder neun Stolpersteine verlegt. Mit diesen Gedenktafeln erinnern wir an das Schicksal der jüdischen Werderaner Einwohner Hans und Max Jacob, Johanna Aron, Werner und Margarethe Fleck, Frieda Braun, Edla Charlotte Rosenthal, Emelie Asch und Ella Anna Leonhard, die in Werder lebten und von den Nationalsozialisten deportiert, ermordet oder in den Suizid getrieben wurden.
Schülerinnen und Schüler der Carl von Ossietzky Schule, des Ernst-Haeckel-Gymnasiums, des Oberstufenzentrums und der Freien Waldorfschule Werder hatten sich zuvor intensiv mit den Schicksalen dieser Menschen beschäftigt und trugen ihre Lebens- und Leidensgeschichten vor.
„Die Stolpersteine sind ein Weckruf jeder Form von Antisemitismus und Rassismus in der heutigen Zeit entschieden entgegenzutreten.“, so Robin Herz, Sprecher des Aktionsbündnis Weltoffenes Werder. „Besonders wichtig ist uns die Zusammenarbeit mit den Schulen, um die Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen gemeinsam mit den nachfolgenden Generationen wach zu halten.
An der Verlegung nahmen auch Nachfahren der Familie Jacob und von Frieda Braun teil. So sagte Sue Johnson, die zur Verlegung der Stolpersteine für Hans und Max Jacob eigens aus England angereist war: „Mein Vater konnte nie über das sprechen, was passiert ist. Ich bin so dankbar, dass heute hier dem Schicksal meiner Familie gedacht wird.“
Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, Stadtverordnete und auch Bürgermeisterin Saß wohnten der Verlegung der Stolpersteine an insgesamt sieben Standorten in der Stadt teil.
„Es besteht die Gefahr, dass sich Geschichte wiederholt. Der wachsende Antisemitismus in unserem Land, der grauenvolle Überfall der Hamas auf Israel, sagen uns, wir müssen viel lauter und energischer unsere Stimme erheben“ so Thomas Wisch, Vorsitzender des Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus.
Hintergrund:
Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Diese kleinen Gedenktafeln im Boden erinnern an das Schicksal der Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, deportiert, vertrieben oder ermordet wurden. In Brandenburg sind bereits über 1100 Stolpersteine verlegt, europaweit sind es rund 100.000.
Die AG „Erinnern und Bewahren“ aus Werder hatte in jahrelanger Arbeit die Schicksale von über 100 Jüdinnen und Juden recherchiert und dokumentiert. Daraus entstand das Gedenkbuch „Jüdische Schicksale“ und die dazugehörige Webseite www.juedische-schicksale-werder.de
2014 wurden durch das Werderaner Bündnis KURAGE bereits 8 Stolpersteine verlegt. Am 9. Oktober 2023 kamen nun 9 weitere Stolpersteine hinzu.
Die Schicksale
Familie Fleck – Am Zernsee 5
Die Familie Fleck lebte seit 1930 in Werder Am Zernsee 5. Während der Novemberpogrome 1938 wurde ihr Haus verwüstet und die Kinder schwer misshandelt. Oscar Fleck wurde nach Sachsenhausen deportiert und verstarb 1940 an den Folgen der KZ-Haft. Werner Fleck wurde 1943, Margarete Fleck 1944 in Auschwitz ermordet. Heinrich Fleck gelang die Ausreise nach England und überlebte.
Edla Charlotte Rosenthal – Hoher Weg 77b
Edla Charlotte Rosenthal war Malerin und lebte in Werder am heutigen Hohen Weg 77b. 1942 wurde sie in das Getto von Warschau, dann in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort umgebracht.
Frieda Braun – Hoher Weg 76
Die Familie Bauer lebte am Hohen Weg 76. Sie war von schikanösen Einschränkungen betroffen, aber durch die Ehe von Ilse Bauer mit einem nicht-jüdischen Mann hat die Familie die NS–Zeit überlebt. Die ebenfalls im Haushalt wohnhafte Mutter von Ilse Bauer Frieda Braun hingegen war dadurch nicht geschützt. Um sich der bevorstehenden Deportation zu entziehen, wählte sie 1943 den Freitod.
Familie Scheel und Emilie Asch – Hoher Weg 136
Die Familie Scheel lebte zusammen mit Emilie Asch, der Mutter von Charlotte Scheel, seit mindestens seit 1928 in Werder, am Hohen Weg 136. Charlotte Scheel war durch ihre Ehe mit ihrem nicht-jüdischen Mann, ebenso wie ihr Sohn Wolfgang vor einer Deportation geschützt. Für Emily Asch bot dies keinen Schutz und sie wurde 1943 in das KZ Theresienstadt deportiert und verstarb dort 1944.
Ella Leonhardt und Jenny Metz – Kemnitzer Straße 7
Die Geschwister Ella Leonhardt und Jenny Metz lebten in der Kemnitzer Str. 7 in Werder. Jenny Metz verstarb im Februar 1940, ihre Schwester Ella Leonhardt suchte 1942 nach der Mitteilung über ihre bevorstehende Deportation den Freitod in der Havel.
Familie Jacob – Torstr. 3
Die Familie Jacob betrieb in der Torstraße 3 ein Kaufhaus. Während der Novemberpogrome 1938 wurde dieses verwüstet, kurz darauf wurde Juden die Geschäftstätigkeit verboten. Max, Käte, Kurt und Frieda Jacob wurden in Konzentrationslager deportiert und ermordet. Hans Jacob starb auf der Flucht nach Palästina.
Johanna Aron – Am Mühlenberg 11
Johanna Aron lebte von 1927–1939 in Werder, später in Berlin, wo sie Zwangsarbeit leisten musste. Johanna Aron wurde zusammen mit ihrer Schwester Selma Aron 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Ausführlicher zu den jüdischen Schicksalen Werder (Havel) siehe: juedische-schicksale-werder.de/
Weiterführung des Gedenkens
Zeitgleich entsteht eine neue digitale Karte und ein Audioguide, um an das Schicksal der Jüdinnen und Juden, die hier in Werder durch die Nationalsozialisten verfolgt wurden, zu erinnern. Der Audioguide wird am 09. November im Rahmen eines Rundgangs über die Altstadt-Insel von Werder vorgestellt. Startpunkt ist um 17 Uhr das Café Jacob in der Torstr. 3. Um 18 Uhr findet im Scala Kulturcafé (Am Markt 1) die Lesung „Wir lassen uns nicht unterkriegen – Junge jüdische Politik in Deutschland“ mit den Autoren Ruben Gerczikow und Monty Ott statt.